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Ein Abend unter Ureinwohnern

Im Haus Ananda erzählen zwei weit gereiste  Frauen von ihren Ahnen und tanzen und singen mit den Besuchern eines besonderen Wochenendes.

Ungefähr anderthalb Kilometer vom Bahnhof entfernt liegt die interkulturelle Bildungs- und Begegnungsstätte namens "Haus Ananda". Dort, nebst vielen anderen unauffälligen Gebäuden an der Alten Handelsstraße lernten am Gründonnerstagabend rund 30 Gäste die Geschichten und Kulturen der Welt kennen. Übers komplette Osterwochenende wurde ein Seminar veranstaltet, das dieses Kennenlernen noch vertiefte.

 

Und das alles aus einem scheinbar prosaischen Grund: "Ich kam auf die Veranstaltungsidee, um drei interessante Freunde von mir unter einem Dach zusammenzubringen", erklärt Eigentümerin Rahmana Dziubany. Mit einer von ihnen, Kari Fjällström aus Alaska, mache sie bereits seit Jahren Bildungsarbeit in Kitas. Die Neuseeländerin Shafia Stevens hingegen kennt die Veranstalterin von verschiedenen Tanzprojekten.Und nun seien sie und der Gießener Musiker Michael Stoeckl hier, also wollen sie etwas Neues schaffen, sagt Dziubany. Den Einstieg um 18.30 Uhr machen die Golzower Hip-Hop-Girls. Danach genießen die Ankommenden vegane sowie vegetarische Spezialitäten. Um 20 Uhr, nach mehrmaligem Klingeln der Gastgeberin, gehen alle Teilnehmer in den großen Raum mit den vielen Stühlen.

 

Was im Anschluss folgt, ist eine Mischung aus Musik, Referat und ein wenig Tanz. Immer wieder ertönt dabei das Didgeridoo von Stoeckl, meist mit Begleitung anderer Instrumente. Dazwischen erzählen die drei Taktgeberinnen des Abends von ihrer Herkunft. Dabei spiegeln sich die traurigen Ereignisse des vergangenen Jahrhunderts wider – an Witz und gesunder Distanz mangelt es dennoch nicht.

 

Mit Humor und Liedern

 

"Bei unserem ersten Treffen hat Kari gesagt: Ich verstehe nicht, warum ihr Deutsche so ein Interesse an Indianern habt – ihr habt doch auch Ureinwohner!", erinnert sich Dziubany mit einer gewissen Portion Humor. Gleich darauf redet sie über polnische Wurzeln in Schlesien, wie die deutsche Teilung ihre Familie getrennt hat und wie die Familienfeiern auf beiden Seiten der Mauer aussahen. Am Ende singt die Veranstalterin ein polnisches Trinklied und andere versuchen, mitzusingen.

 

Danach referiert Fjällström, die unter anderem Wurzeln beim alaskanischen Ureinwohnerstamm der Athabasca hat. "Meine Mutter hat mich davor gewarnt, über meine Herkunft zu sprechen", sagt sie. Nicht ohne Grund, denn sogar noch die Ureinwohnerfrauen ihrer Generation wurden gegen ihren Willen sterilisiert. Auch sonst herrschte in der Bevölkerung Ignoranz, was Ureinwohner anging: So sprachen Fjällström die Mitschüler ihre Herkunft ab, da sie dachten, nur Eskimo-Stämme würden in Alaska leben.

 

Nach der Vorstellung präsentiert die Amerikanerin zwei Lieder, darunter eines der Ureinwohner ihres Stammes. Als Letzte ist Stevens dran: die in England aufgewachsene Neuseeländerin mit Maori-Wurzeln präsentiert eines der traditionellen Lieder, mit dem zugehörigen Tanz und stellt sich in der Sprache der Maori vor. Sie wusste schon immer von ihrer Herkunft. Auch die Ureinwohner Neuseelands wurden unterdrückt: "Es wurde ihnen gesagt, dass sie ihre Sprache nicht sprechen sollen." Leute im bestimmten Alter sprachen nie Maori, heißt es von ihr im Gespräch.